REDE VON STAATSPRÄSIDENT MARTTI AHTISAARI
IM ÜBERSEE-CLUB AM 25. SEPTEMBER 1998


EUROPA MUSS SICH BEIM ÜBERGANGZUM 21. JAHRHUNDERT ERNEUERN

Die Handlungsfähigkeit und die internationale Stellung der Europäischen Union müssen gestärkt werden

Es ist mir eine Freude, heute hier im hochangesehenen Übersee-Club sprechen zu dürfen. Finnland und die Freie und Hansestadt Hamburg haben traditionell enge Beziehungen. Heute ist die Ostsee wieder ein Gewässer, das alle Anrainerstaaten miteinander verbindet. Die Bedeutung Hamburgs als Tor der Ostseestaaten zur Welt ist noch größer geworden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Europa in Trümmern; sein Aufbau basierte auf der starken Vision eines geeinten Kontinents. Die künstliche Trennlinie des Kalten Krieges und die Teilung Deutschlands verhinderten eine Ausweitung dieses Ziels auf ganz Europa. Der Zusammenbruch staatlich gelenkter Kommandogesellschaften vor circa 10 Jahren ist eine große Herausforderung für die Integration. Diese Herausforderung wurde angenommen. In dem stattfindenden historischen Umbruch werden die weittragendsten Visionen von Vorreitern, wie dem früheren Bundeskanzler Konrad Adenauer, verwirklicht - Visionen von der Zukunft unseres Kontinents und von den Fundamenten eines dauerhaften Friedens. Die Europäische Union ist zum Stabilitätsanker Europas geworden. Gleichzeitig werden immer größere Erwartungen an die Union gestellt. Mit den Veränderungen in Europa muß sich auch die Europäische Union erneuern.

Heute geht es nicht um die Gefahr eines Krieges, aber wir müssen wieder über die Ziele der Integration unseres Kontinents nachdenken. Nach dem Kalten Krieg hat die weltweite Zunahme des Handels und der Investitionen - die Globalisierung - neue wachsende Märkte in verschiedenen Teilen der Welt geschaffen. Die Liberalisierung des Kapitalverkehrs bindet Wirtschaften aneinander und wirkt sich schnell auf den Alltag der Bürger aus. Die internationale Wirtschaft verhält sich heute auf eine neue Art und Weise, die von einzelnen Staaten nicht zu steuern ist.

Die Veränderung der Weltwirtschaft hat noch einen weiteren Grund für die Integration Europas gebracht. Eine in ihren Außenbeziehungen kohärente Europäische Union, die sich auf eine gemeinsame Währung stützt, ist eine starke Antwort unseres Kontinents auf die Heraus-forderungen der Globalisierung. Dies ist bei aller gegenwärtiger Unsicherheit zunehmend unsere Überzeugung.

Im Jahre 1979 sprach unser ehemaliger Staatspräsident Urho Kekkonen hier im Übersee-Club. Er betonte damals die Ähnlichkeit des grundlegenden Ziels unserer Länder - nämlich ein Europa des Friedens, der Sicherheit und der Zusammenarbeit. Er stellte jedoch zugleich fest, daß sich der Weg Finnlands in vielen Hinsichten von dem Deutschlands unterschied.

Heute - zwanzig Jahre später - haben sich unsere Wege vereint. Ab Anfang nächsten Jahres gehören wir demselben Euro-Währungsgebiet an, das sich nach Nordeuropa über Finnland erstreckt. Das Blatt der Geschichte wendet sich.

Anfang nächsten Jahres übernimmt Deutschland den Vorsitz in der Europäischen Union. Ein halbes Jahr später geht diese Verantwortung zum ersten Mal auf Finnland über. Unsere Präsidentschaften finden in einer Zeit statt, in der sich die Entwicklung der Europäischen Union an einem Wendepunkt befindet und sich die rapiden Veränderungen in der Welt nach dem Kalten Krieg fortsetzen.

Von der Entwicklung der Europäischen Union besteht allerdings keine gemeinsame Vorstellung. Eine solche muß jedoch entschlossen gesucht werden.

Als wir der Europäischen Union Anfang 1995 beitraten, war uns bewußt, daß ihre Richtung für die nächsten Jahre bereits festgelegt war. Unseren Beitrag leisteten wir während der EU-Regierungskonferenz, die letztes Jahr in Amsterdam zu Ende ging. Es muß eingeräumt werden, daß es in Amsterdam in einigen zentralen Fragen nicht gelang, die Union entschlossen genug zu erneuern.

Die Integration ist nicht mehr nur eine Antwort auf die Herausforderungen der Vergangenheit - nicht nur eine Reaktion auf die harten Lehren des Zweiten Weltkrieges. Die Sicherung des Friedens zwischen den Mitgliedsstaaten und die Förderung des Wohlstandes ihrer Bürger sind nach wie vor Ausgangspunkte der Integration Europas. Parallel dazu entstehen aber andere Ziele.

Die Vertiefung der Integration hat das Gewicht der Union nach außen erhöht - und dies nicht nur in Europa. Die Union ist im Begriff, ein weltweit wichtiger wirtschaftlicher und politischer Faktor zu werden. Insbesondere das Entstehen eines gemeinsamen Währungsgebiets erhöht die an Europa gestellten Erwartungen. Die Bedeutung der EU für die Entwicklung unseres ganzen Kontinents ist heute unumstritten.

Die EU muß heute eine größere Verantwortung als Förderer der Sicherheit, der Stabilität und des Wohlstandes tragen. Wir müssen noch entschlossener und konsequenter zur Lösung der globalen Probleme handeln können. Dies setzt eine Reform der Union und engere Beziehungen zu anderen zentralen Akteuren der Weltpolitik voraus.

Hiermit verbunden ist mein im Jahre 1995 unterbreiteter Vorschlag zu einem Gipfeltreffen zwischen der EU, Rußland und den Vereinigten Staaten. Die Bedeutung der Union kann hierdurch gestärkt werden. Eine Zusammenarbeit dieser Akteure ist in vielen Bereichen begründet - so beispielsweise bei der Verbrechensbekämpfung, im Umweltschutz und bei der Verbesserung der Nuklearsicherheit.

Es ist ein Schock gewesen zu sehen, wie in Europa immer noch Waffen zur Konfliktlösung eingesetzt werden. Viele können sich fragen, welchen Sinn die Europäische Union haben soll, wenn sie und ihre Mitgliedsstaaten nicht fähig sind, effizient auf Krisen zu reagieren, die in ihrem Umfeld entstehen - wie in Bosnien, im Kosovo und in Albanien.

Wir haben - so meine ich - die Pflicht, auch auf diese Herausforderung offen und ehrlich zu antworten. Die Union ist noch nicht reif für diese Aufgabe gewesen.

Deutschland hat eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Krisenbewältigung der Union gehabt. Auch Finnland hat zusammen mit Schweden die Bedeutung der Fähigkeit der Union zur Krisenbewältigung betont. Wir haben diesbezügliche Vorschläge unterbreitet, deren Kerninhalt im Vertrag von Amsterdam zu lesen ist. Der Vertrag verleiht der Union die Fähigkeit zur militärischen Krisenbewältigung, was ihre Glaubwürdigkeit erheblich stärkt.

Künftig müssen wir nun dafür Sorge tragen, daß die Union mit Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam jene Rolle übernimmt und jene Aufgaben bei der Krisenbewältigung erfüllt, die sie durch diesen Vertrag für sich festgelegt hat. Der Vertrag verbessert die Möglichkeiten zur Wahrnehmung von humanitären Aufgaben und Rettungseinsätzen sowie zu friedenserhaltenden Aufgaben in ihren verschiedenen Formen. Jetzt wird ein wirkliches Einvernehmen der Mitgliedsstaaten benötigt. Die Sicherheit wird durch interne militärische Krisen einzelner Staaten erschüttert. Dies ist eine Realität vor allem auf dem Balkan und im Kaukasus.

Nehmen wir beispielsweise die Krise im Kosovo: In Verbindung hiermit hat die internationale Gemeinschaft ihre Verantwortung unter anderem durch die Kontaktgruppe getragen, der fünf Länder angehören. Aus der Europäischen Union sind nur große Staaten Mitglieder dieser Gruppe. Auch der Staat mit dem jeweiligen EU-Vorsitz hat an den Gesprächen teilnehmen dürfen. Einige EU-Mitgliedsstaaten haben eine Zusammenarbeit dieser Art kritisiert und den Verdacht geäußert, daß sie die Einheit in der Union und die Stellung der kleinen Mitgliedsstaaten schwächt.

Meiner Meinung nach müssen wir realistisch sein. Diese Form der Zusammenarbeit gab es und wird es wahrscheinlich auch künftig geben. Zur Bewältigung von Krisen wie die im Kosovo ist es unabdingbar, daß große Staaten, einschließlich Rußlands und der Vereinigten Staaten, zusammenarbeiten. In dieser Hinsicht kann die Berechtigung der Kontaktgruppe an sich nicht in Frage gestellt werden.

Die internationale Gemeinschaft darf nirgendwo Gewalttaten hinnehmen. Die Verteidigung gemeinsamer Werte stärkt die internationale Zusammenarbeit. Für die Bewältigung und Lösung von Krisen wie die im Kosovo ist die Unterstützung Rußlands wichtig bei der Entscheidung in den Vereinten Nationen über gemeinsame Maßnahmen. Lücken in der gemeinsamen Front würden eine Fortsetzung von ethnischer Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen fördern.

Künftig sollten wir danach streben, daß die Union in diesbezüglichen Zusammenhängen mit einer Stimme spricht. Heute übermittelt die Union ihre gemeinsamen Positionen mit Hilfe der teilnehmenden Staaten. Wichtig ist, daß hier die Union und dabei auch alle ihre Mitgliedsstaaten im voraus ihren eigenen Standpunkt bilden und ihre Linie definieren können.

Mit dem Wandel der Feindbilder wird auch eine breiter angelegte Teilung der Verantwortung zwischen Ländern und Kontinenten verlangt. In vielen Fragen muß die EU neben den USA eine konstruktive Rolle haben - sowohl auf dem Westbalkan als auch im Nahen Osten. Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, daß die reformierten Strukturen der NATO eine zentrale Grundlage der militärischen Zusammenarbeit sind. Nur eine stärkere und in ihrer Außenpolitik handlungsfähigere Union, die bei Bedarf auch die Verantwortung für militärische Maßnahmen zur Krisenbewältigung mitträgt, kann ein ernstzunehmender Partner der Vereinigten Staaten sein.

Militärische Krisen auf unserem Kontinent sind jedoch nur ein Teil der Risiken, die heute unsere Sicherheit gefährden. Die Bedeutung des Begriffs Sicherheit hat sich gewandelt und erweitert. Flüchtlingsströme, Umweltkatastrophen, Terrorismus und internationale Kriminalität sind Gefahren, die mit von der traditionellen Sicherheitspolitik abweichenden Mitteln bekämpft werden müssen. Zugleich können wir beobachten, daß viele dieser neuen Risiken namentlich Folgen von Krisen sind - wie die in Albanien und im Kosovo. Ihre mannigfaltigen Auswirkungen erstrecken sich auch bis nach Deutschland und Finnland.

Die Europäische Union muß fähig sein, auf diese neuen Herausforderungen zu reagieren. Die Union ist bereits heute ein zentraler Akteur in weltweiten Umweltverhandlungen, in Vorhaben zur Liberalisierung des Welthandels sowie bei der Vergabe von Entwicklungshilfen. Die positive und konstruktive globale Rolle der Union ist somit bereits eine Tatsache. Jetzt kann diese Rolle gestärkt werden.

Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nach ihrer im Vertrag von Maastricht eingegrenzten Definition wurde als Regierungszusammenarbeit beibehalten. Die Außenbeziehungen der Union sind jedoch eine Kombination der Gemeinschaftspolitik und der Regierungszusammenarbeit.

Die Außenbeziehungen müssen praxisnah unter dem Aspekt der Effizienz und Kohärenz untersucht werden. Vereinbarte Strategien müssen effizient umgesetzt werden. Die Zusammenarbeit muß intensiviert werden, und die Union muß kohärent vorgehen.

Auch bei außenpolitischen Maßnahmen, die sich auf die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres beziehen, muß mehr Kohärenz und Effizienz angestrebt werden. Wir alle sind über die zunehmende Brutalisierung in der Kriminalität entsetzt. Kinder werden immer öfter Opfer von Straftaten. Gewalt auf den Straßen darf nirgends in Europa hingenommen werden. Die Sicherheit in Europa ist die Sicherheit der Bürger.

In meiner Berliner Rede im Frühjahr betonte ich die alltägliche Sicherheit der Bürger als eines der zentralen Ziele der EU. Bestandteil hiervon wäre die Strategie der inneren Sicherheit, zu der die Überwachung der Außengrenzen gehören würde. Gleich eng hiermit verbunden wäre aber auch der Mechanismus der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Diesen Vorschlag zu einer Strategie der Sicherheit möchte ich nun wiederholen.

Bei den EU-Beitrittsverhandlungen Finnlands in den Jahren 1992-1994 zeigte die Union Verständnis für die nördlichen Fragen, insbesondere für die besondere Eigenart unserer Landwirtschaft. Die Verhandlungen waren schwierig, führten aber schließlich zu einem befriedigenden Ergebnis. Bei den Verhandlungen ging es somit um die Ausweitung der EU-Beihilfenpolitiken auf die nordischen Mitgliedsstaaten.

Der Beitritt der nordischen Länder brachte die Perspektive einer umfassenderen nördlichen Dimension hervor - nämlich die Frage der nördlichen Außenbeziehungen der Union. Dieses Thema behandelte ich in meiner Rede im Juni 1994 - an der Schwelle zu unserem EU-Beitritt - an der Universität Dorpat in Estland. Ich gab folgende Einschätzung der Bedeutung der damaligen EU-Erweiterung für den Ostseeraum:

"Mit dem Beitritt der nordischen Länder in die EU wird sichergestellt, daß die EU ihre sich ständig entwickelnde nördliche Dimension erhält. Gleichzeitig werden noch nie dagewesene Möglichkeiten geschaffen, Rußland enger in diesen Integrationsprozeß einzubinden. Ohne den Beitrag und die Teilnahme Rußlands wird die Entwicklung zwangsläufig halbherzig bleiben."

Im Herbst 1997 leitete die Regierung Finnlands offiziell ihre Initiative zu einer nördlichen Dimension der Europäischen Union ein.

Finnland und Deutschland sind die zwei Mitgliedsstaaten der Union, für die das Verhältnis zu Rußland durch ihre Geschichte hinweg außergewöhnlich wichtig gewesen ist. In der neuen Situation muß auch dieses Verhältnis zunehmend aus der Sicht der EU betrachtet werden.

Mit Genugtuung haben wir die Unterstützung Deutschlands für unsere Initiative zur Kenntnis genommen. Wir sehen den ganzheitlichen Ansatz in den nördlichen Regionen als wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Stellung und Handlungsfähigkeit der Union nach außen. Hierdurch entsteht Kohärenz in den Außenbeziehungen der Europäischen Union und in der Zusammenarbeit im Norden.

Die Lage Rußlands wird bisweilen mit der Ostdeutschlands verglichen. Bei der Vereinigung Deutschlands wurden große Schritte vollzogen. Dennoch scheint diese Aufgabe mindestens eine Generation in Anspruch zu nehmen. Der Übergang Rußlands von einer staatlich gelenkten Kommandogesellschaft zu einer demokratisch geführten Marktwirtschaft ist ein entscheidend schwierigerer Prozeß.

Die Zeit der politischen Unsicherheit setzt sich in Rußland fort, da das Land keine funktionierende Zivilgesellschaft hat. Wir müssen uns darauf gefaßt machen, daß Rußland als Partner künftig nicht einfacher wird. Wesentlich ist, daß der Aufbau in Rußland kontinuierlich fortgesetzt wird, eine breite Unterstützung der Bevölkerung erhält und die positiven Ergebnisse des Reformprozesses der vergangenen Jahre nicht verloren gehen. Es ist wichtig, daß Rußland seine internationale Rolle in dem sich wandelnden Europa in einer Art definiert, die die Zusammenarbeit stärkt.

Die russische Gesellschaft befindet sich in einer tiefen Krise. Das Wirtschaftssystem ist unterentwickelt, die Geldwirtschaft funktioniert nicht, das Produktions-system hat Schwierigkeiten und das Fehlen eines funktionierenden Transportsystems erschwert die Lebensmittelversorgung. Die Probleme der Staatsfinanzen führen zu einer weiteren Verstärkung dieser Schwierigkeiten.

Die Krise kann nur durch langfristige Arbeit gelöst werden. In Rußland besteht nun auch die Gefahr einer akuten Krise, auf die es schnell reagieren muß. Vieles deutet darauf hin, daß in Rußland nächsten Winter wahrscheinlich humanitäre Hilfe benötigt wird. Finnland wurde um Hilfe gebeten und hat sich bereits zur Hilfe in den grenznahen Gebieten entschlossen. Auch die EU muß nun ihre Bereitschaft zu humanitären Aktionen in Krisensituationen zeigen, sollte jetzt eine ernsthafte Krise in Rußland entstehen. Zur Bewältigung einer solchen Krise ist nämlich ein internationaler Einsatz von noch größerem Umfang erforderlich.

Aus der Sicht der internationalen Gemeinschaft ist die Förderung einer Teilnahme Rußlands von erstrangiger Bedeutung, damit keine neuen Trennlinien und kein sich vertiefendes Wohlstandsgefälle in Europa entsteht.

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Die Handlungsfähigkeit der Union nach außen muß auch wegen der künftigen EU-Erweiterung gestärkt werden. Finnland und Deutschland sind die Mitgliedsstaaten, die wahrscheinlich am deutlichsten erkennen, daß die Stabilität in Europa eine Erweiterung der Union nach Osten voraussetzt. Nicht nur die Beitrittsanwärter, sondern auch die Union muß sich auf die Erweiterung vorbereiten. Hier müssen wir unsere Aufmerksamkeit unter anderem auf die Frage der Entscheidungsverfahren bei außenpolitischen Maßnahmen richten. Die Herausforderung ist keineswegs leicht, denn die erweiterte Union muß zu einer effizienteren Beschlußfassung fähig sein als sie es mit gegenwärtig fünfzehn Mitgliedern ist.

Wir müssen die den außenpolitischen Maßnahmen der Union zugrundeliegenden Entscheidungsverfahren unter dem Aspekt der Kohärenz und Zweckmäßigkeit unvoreingenommen prüfen. Die Beschlüsse von Maastricht und Amsterdam bilden eine solide Grundlage für die Entwicklung und bringen uns weiter. Auf Finnland und Deutschland als Länder mit dem künftigen Vorsitz kommt eine besondere Verantwortung für die Umsetzung der in Amsterdam vereinbarten Reformen zu.

Wie alle anderen durch internationale Zusammenarbeit geschlossenen Verträge sind auch die von Maastricht und Amsterdam Produkte ihrer Zeit und nicht der Endpunkt jeglicher Entwicklung. Künftig muß eine - sorgfältig abgewogene - Ausdehnung der Entscheidungsverfahren mit qualifizierter Mehrheit vermehrt auf Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik möglich sein. Hierbei müssen zentrale nationale Interessen geachtet werden.

Die Möglichkeiten des Vertrages von Amsterdam zur Erhöhung der Effizienz müssen genutzt werden. Im Bereich der Handelspolitik ist auch dies nicht ausreichend. Sie müßte noch mehr in die Zuständigkeit der Gemeinschaft einbezogen werden als dies gegenwärtig der Fall ist.

Die gemeinsame Währung stellt nicht nur prinzipiell bedeutende, sondern auch konkrete Forderungen an außenpolitische Maßnahmen der Union auf internationalen Wirtschaftsforen. Die Union muß ihre neue Stellung effizient nutzen können. Das Euro-Währungsgebiet muß mit einer Stimme auftreten, wenn auf internationalen Foren für das Währungsgebiet wichtige Fragen erörtert werden. Es wäre logisch und für das institutionelle System der Union sinnvoll, wenn der Staat mit dem EU-Vorsitz und die Europäische Zentralbank die Stimme des Euro-Währungsgebiets vertreten würden.

Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hat einmal gesagt:

"Geschichte ist kein Prozeß, der naturwissenschaftlichen Gesetzen folgt, die man in mathematischen Gleichungen ausdrücken könnte. Wer über die Zukunft Europas spricht, der betritt unvermeidlich ein Feld, auf dem er auf seine Intuition angewiesen ist, so sehr seine Prognosen auch auf die Tatsachen der Geschichte gründen."

Uns eröffnet sich nun eine Zeit der Möglichkeiten.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns auf unsere eigene Vision verlassen und uns dafür einsetzen.